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Wege ins Sarntal und Wege zum Siebenfahr

Der Siebenfahrerhof in einem Schwarzweißfoto von Hugo Atzwanger aus dem Jahr 1940, ent­nom­men dem Band »Bauernhöfe in Südtirol«, Band 2, Sarntal, her­aus­ge­ge­ben von Helmut Stampfer vom Landesdenkmalamt Bozen (ISBN 88–7014-702–9, Verlagsanstalt Athesia Bozen).

Heute fährt man in weni­ger als zwan­zig Minuten mit dem Auto von Bozen auf den Siebenfahrerhof. Bei Kilometer 14,6 der Staatsstraße SS508 zweigt man unmit­tel­bar vor der Tanzbachbrücke ost­wärts ab, quert dann zwei­mal den vom Stollen zum Wasserkraftwerk in Bozen noto­risch leer­ge­trun­ke­nen Osterbach und damit zoll- und kon­troll­frei die alte römi­sche Grenze zwi­schen Venetien (Venetia) und Rätien (Raetia), an die sich Napoleon 1810 bei der Aufteilung Tirols an Italien und Bayern wie­der erin­nert hat­te. (1813 war Tirol schon wie­der ver­eint, sie­he Geschichte.) Am Blasbühel war damals die Grenzstation, sag­te Marianne Spraiter. 

Nach 1,6 Kilometern asphal­tier­ter Seitenstraße, hin­ter dem Bildstock für den am 30. November 1950 töd­lich abge­stürz­ten Wilderer Florian Unterkalmsteiner (geb. 19. 12. 1931) und einem alten Kruzifix, zweigt man oben auf der Höhe rechts ab durch die Wiesen zwi­schen frü­he­rem Langacker, oben, und dem Weizacker, dar­un­ter. Das Hofhaus steht – anders als alle ande­ren Bauernhöfe hier – mit dem Giebel quer zum Tal, dane­ben der alte Stadel, noch mit der star­ken Dachneigung frü­he­rer Strohdächer, seit 2013 aber mit Holzschindeln ein­ge­deckt. Ein Wäsche‑, Werkstatt‑, Holz- und einst­mals Backhaus, das «Zimmerhüttl», ver­voll­stän­digt die Dreiergruppe. Mehr zur Hofgeschichte seit 1288 hier .
Über dem Hauseingang prunkt ein Putzrelief mit der Jahreszahl 1857. Diese geht auf Jakob Hofer zurück, der 1857 das Haus zur heu­ti­gen Form erwei­ter­te. Innen die Tür der lär­chenen Bauernstube hat die Jahreszahl 1830 in Holz eingelegt.

 

Das Sarntal

Die alten Römer sind hier nicht nach Deutschland gezo­gen. Das Sarntal war immer ein Nebenweg. Im Dialekt ist es das deut­sches­te Tal Südtirols. Vor der bay­ri­schen Besiedlung im 6. und 7. Jahrhundert leb­te hier nie­mand (1). Ab 1273 kam das Sarntal unter die Tiroler Landesfürsten. Dass der römi­sche Feldherr Drusus selbst einen sei­ner getreu­en Unterführer auf den heu­ti­gen Eyrnbergerhof gesetzt haben soll, ist eine schö­ne Geschichte. Leider hat der alte Eyrnberger die letz­ten Reste römi­scher Mauern, einen Wehrturm mit Schießscharten und einen schö­nen Bogen mit Malereien 1975 beim Neubau des Hauses abge­ris­sen. Sein Hof liegt zusam­men mit Schuster und Martertaler unse­rem Siebenfahrerhof ganz genau gegen­über, eben­falls auf einem vor­teil­haf­ten Moränenhügel. Von dort aus, und nicht schon aus dem Marterloch, muss der fran­zö­si­sche Korporal in Hans Matschers Erzählung den Siebenfahrer so nah und doch so weit weg gese­hen haben.

 

Der Weg ins Sarntal vor 1850 über Afing

Hans Matschers Geschichte beschreibt den Hauptweg ins Sarntal zwi­schen Mittelalter und 1853 (4). Leichter kam man ja über den Tschögglberg vom Etschtal her ins Tal her­ein. Als 1027 der Brixner Bischof bei Klausen anfing, Zoll zu erhe­ben, wur­de der Umweg durch das Sarntal aber popu­lär. Vom Bozner Stadtviertel Sand aus stieg man, die Schlucht der Talfer mei­dend, auf der Westseite des Tales über Sankt Georgen und die Ruine Rafenstein – nicht mit Schloss Runkelstein zu ver­wech­seln – unter­halb Jenesiens über die Freihöfe Goldegg und das Gasthaus Gruber durch das Tal des Dornbachs nach Afing. Der Name soll ladi­nisch sein, eben­so wie der des »Mart-Tals«, dem ›val mor­ta‹. Hinter den bei­den Schmalzhöfen kam man dann in die­ses berüch­tig­te Martertal, noch heu­te eine wild­ro­man­ti­sche Gegend mit Spuren einer ver­fal­le­nen Mühle am rei­ßen­den Bach. Dessen Wasser schoss damals auf einem höl­zer­nen Dach, einer Schusstenne, über die Wanderer hin­weg. Der Eyrnberger war dann eine Raststation mit Steuerprivilegien wie frei­em Weinausschank. Dafür muss­te er den Samern Herberg’ geben und den Weg durchs Marterloch instand­hal­ten. Ställe gab’s für vier­zig Pferde. Über Vormeswald (‹Volkmarswald›) – rich­ti­ger die Salmbergerhöfe – kam man in Bundschen (lat. pon­te­sin, Brücklein) ins Tal, dort, wo es über­haupt erst flach und breit wird.
Heute ist das alles ein mar­kier­ter Wanderweg mit einer Abstiegsmöglichkeit vom Dickerbauern in Hinterafing hin­un­ter zu Halbweg bezie­hungs­wei­se zur Bar Frieda und einem Wanderweg von Moarhäusl im Tal nach Afing. Mit dem Auto kann man von Süden her bis zu den Schmalzhöfen und von Norden bis zum Eyrnberger fahren.

 

Der Notweg über Wangen

Gegenüber, auf der Ostseite, gab es einen zwei­ten Weg ins Sarntal, der eben­falls die Sarner Schlucht mied, einen »Notweg« über Wangen, der aller­dings schon 1296 als Fahrweg erwähnt wird. Die alte Steinzeichnung (5) zeigt die­sen Weg; ganz rechts oben Rafenstein, vor­ne rechts zeich­ne­risch über­höht die Ruine Walbenstein (das Finggeller Schlösschen im Volksmund), im Mittelgrund Runkelstein und Sankt Peter, viel­leicht noch Klebenstein oder Rendelstein, und hin­ten die Mendel. Dieser Weg führ­te von Wangen über Gampenried, dann viel­leicht unten im Tal beim »Fîtschwirt« vor­bei (Tarneller, Hofnamen 2568) oder auf der »alten Straße« (Parzelle 8184) ober­halb des Tals und damit auch über die ehe­ma­li­ge Angerwies vom Siebenfahrer zum Blasbühel und von dort über den Tanzbach wei­ter nach Bundschen. (Erhalten soll­ten ihn auf die­sem Stück – wie­der laut Dr. Carl von Braitenberg (4) – der »Güetler« vom Berggütl, heu­te ver­fal­len und ver­las­sen hin­ter dem Sulfertaler am Rittner Wanderweg 22, der Tschaffauner, der Mayr, die zwei Platzhöfe, Alber und Leyrer und der Wanger.)

 

Die Sarner Schlucht

Der Hauptweg ins Sarntal ging aber im Mittelalter – viel­leicht schon ab den elf­ten Jahrhundert und gewiss noch um 1500 – und dann wie­der ab 1853 durch den Talgrund. Noch 1901 wur­de die Straße erneu­ert und von Kaiser Franz Josef I in Sarnthein wie­der­eröff­net (6). Zahlreich sind die Geschichten vom Sarner Toni, einem Gast- und Zollhaus am Eingang der Schlucht. Zwei Kreuzer zahl­te man je Person. Heute ist die Straße in der Schlucht unter­halb Moarhäusl zwi­schen Johanneskofel (dem mit dem alten Adlernest) und Zagglerbach voll­stän­dig weg­ge­ris­sen. Selbst die alte holz­über­dach­te Brücke im Schatten Runkelsteins haben Schotterlastwägen längst kaputt­ge­fah­ren.
Über das Projekt einer Zahnradbahn – ähn­lich wie es sie auf den Ritten gab – aus dem Jahr 1880 mit 15 Tunnels berich­tet eben­falls der Schlern (7). Sogar ein Seilbahnprojekt hat es gege­ben (8).

 

Die heu­ti­ge «Staatsstraße»

In den drei­ßi­ger Jahren ent­stand ober­halb der Schlucht mit 24 Tunnels die heu­ti­ge Staatsstraße über das Penser Joch. Sie steigt bei Schloss Ried steil hin­auf und ver­läuft dann ober­halb des Finggeller Schlösschens ziem­lich waa­ge­recht: Hier war ein Stausee geplant, der dann aber aus Angst vor einer Überschwemmung Bozens nicht gebaut wur­de. Stattdessen ent­stan­den um 1950 zwei Stufen von Wasserkraftwerken mit unter­ir­di­schen Zuleitungen. Das unte­re Kraftwerk liegt in Bozen an der Sankt-Anton-Straße zu Füßen Runkelsteins, das obe­re ober­halb Bundschens unter dem Gasthof Fichter.
Zum Ende des zwei­ten Weltkrieges – die Straße durch die Sarner Schlucht war nach wie vor pas­sier­bar – wur­den die Tunnels gesperrt und mili­tä­risch für Munition und Munitionsfertigung genutzt.
Seit 1988 gibt es eine Straße vom Ritten über Wangen und Niederwangen ins Sarntal, die bei der Fitsch ein­mün­det. Bis zur Sarner Grenze hat­ten die Wangener die Straße schon in den Jahren 1976 und 1977 gebaut, die Sarner kamen aber dort wegen eines nöti­gen Landschaftsgutachtens erst 1988 zum «Anschluss». Ein Glück für das Jahr 1980: Durch einen Erdrutsch war die Sarner Straße ein hal­bes Jahr lang gesperrt, man muss­te «den Notweg» über den Ritten fah­ren. In der Folge ent­stan­den in den neun­zi­ger Jahren, beson­ders zwi­schen Moarhäusl und Halbweg, neue Tunnels.

In den 2000er Jahren wur­de die Straße durch neue Tunnels begra­digt und ver­kürzt. Dies und vie­le wei­te­re Details zur Sarner Straße sind in einem Buch des Sarner Geschichtsvereins doku­men­tiert.

Quellen:

(1) Zur Dialektgeographie des Sarntales ;77/228 (deut­sches­tes Tal Südtirols, ab ca. 1000 bay­ri­sche Bes., bleib’ »a Preckl«, ein Weilchen …)

(2) Der Eyrnbergerhof ;67/342, 454 und ;77/235 ;79/373

(3) Aus den Dolomiten vom 7. Februar 1953, sie­he www.Joern.De/siebenf.htm

(4) Dr. Carl von Braitenberg, Meran, Zenoweg 39, Schlern 1975; Seite 280 ff »Der alte Notweg ins Sarntal über Langegg und Wangen«, auch »Straßen ins Sarntal« ;69/530 (A)(K), ;70/332

(5) Lithographie aus dem Schlafzimmer von Anton Hödl am Siebenfahrerhof

Eingang in’s Sarnthal, bei Botzen, mit der Aussicht auf’s Etschtal. 
Entrée du Sarnthal, près de Botzen, avec la vue de la valée d’ Adige. 
Lithographisches Institut der Wagner’schen Buchhandlung in Innsbruck

(6) 69;532

(7) 68;71

(8) Die Eisenbahn ins Sarntal ;72/260(A), 471 (1880er-Jahre, 15 Tunnels, 2–5% Steigg., zwei Zahnradstrecken bis 12%)

Eine schier unend­li­che Quelle ist die Zeitschrift »Schlern«, ein­seh­bar links an der Wand im Lesesaal der Teßmann-Landesbibliothek in Bozen-Gries. Ein Schlagwortverzeichnis als letz­ter Band ent­hält unter »Sarntal« zahl­rei­che Hinweise.

Alles über das Sarntal im Schlern hier: Sarntal im Schlern